Frage nach Schwerbehinderung im Arbeitsverhältnis zulässig

In der arbeitsrechtlichen Fachliteratur und Rechtsprechung war bisher streitig, ob und wann der Arbeitgeber berechtigt ist, den Arbeitnehmer nach einer möglichen Schwerbehinderung zu fragen. Einigkeit bestand lediglich darin, dass die Frage im Rahmen der Bewerbung bzw. der Aufnahme des Arbeitsverhältnisses unzulässig ist.

Andererseits ist es für den Arbeitgeber natürlich wichtig zu erfahren, ob eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers vorliegt. Nur so kann er den aus der Schwerbehinderung folgenden rechtlichen Pflichten (beispielsweise Sonderurlaub, besonderer Kündigungsschutz) nachkommen. Es besteht daher in der Praxis ein erhebliches Bedürfnis danach, diese Information vom Arbeitnehmer zu erhalten.

Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr entschieden, dass im bestehenden Arbeitsverhältnis die Frage nach Ablauf der sechsmonatigen Frist des § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX zulässig ist, weil dem Arbeitgeber nur auf diese Weise ein rechtstreues Verhalten möglich ist. Weder die Frage nach der Schwerbehinderung noch die Beantwortung durch den Arbeitnehmer führten in diesem Fall zu einer Diskriminierung. Insbesondere habe der Arbeitnehmer den Schwerbehindertenschutz nach Ablauf der 6 Monate erworben, sodass dann das schutzwürdige Interesse des Arbeitgebers an der Information zur Schwerbehinderung überwiege.

Im zu entscheidenden Fall hatte der Arbeitnehmer übrigens zunächst nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit die Frage nach einer Schwerbehinderung verneint. Anschließend kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, ohne eine bei Schwerbehinderten erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung einzuholen. Nach Zustellung der Kündigung berief sich der Arbeitnehmer wiederum darauf, dass er doch schwerbehindert sei und die Kündigung daher mangels Beteiligung des Integrationsamtes unwirksam sei. Er habe die vorherige Frage des Arbeitgebers nach einer Schwerbehinderung verneinen dürfen, da es sich um eine unzulässige Frage gehandelt habe. Das Bundesarbeitsgericht ist dieser Argumentation aus den o.g. Gründen nicht gefolgt. Aufgrund der vorangegangenen falschen Beantwortung der Frage nach der Schwerbehinderung könne sich der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzverfahren nicht auf den Kündigungsschutz von Schwerbehinderten berufen. Er verhalte sich nämlich widersprüchlich, wenn er zuvor die Frage nach der Schwerbehinderung wahrheitswidrig verneint habe.

Fazit:
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eröffnet dem Arbeitgeber die Möglichkeit, die Information zu einer möglichen Schwerbehinderung des Arbeitnehmers in zulässiger Art und Weise zu erhalten. Dem Arbeitnehmer ist zu raten, die Frage nach Ablauf der Wartezeit auch wahrheitsgemäß zu beantworten, da er ansonsten den Sonderkündigungsschutz von Schwerbehinderten verliert.

BAG, Urteil vom 16.02.2012 6 AZR 553/10

Autor: RA Markus Achenbach

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